Kinbaku
Kinbaku (緊縛) bedeutet “festes binden” und wird als Synonym für erotische Bondage verwendet. Oft wird alternative der Begriff Shibari (縛 り) verwendet. “Shibari” bedeutet im Japanischen wörtlich “dekorativ binden”. Es kann aber auch ein Geschenk sein, das dekorativ gebunden (=verpackt) wird. Hier oder hier werden die beiden Begriffe tiefgründiger diskutiert.
Wir verwenden “Kinbaku” für unser Bondage, da wir für uns Erotik, Emotionalität und die Beziehung zwischen den beiden Partnern in einer Kinbaku-Session betonen. Für uns ist Kinbaku eine persönliche, intime Reise.
Woher kommt Kinbaku?
Seil und seine Verwendung ist seit Urzeiten reichlich in der japanischen Kultur vorhanden. Seine Verwendung reicht von der Abgrenzung des Heiligen vom Profanen, z.B. in Shinto-Schreinen bis zur Kunst des dekorativen Verpackens von Geschenkboxen oder dem Binden der Gürtel traditioneller Kimonos. Auch wurden für lange Zeit hauptsächlich Seile verwendet, um Gefangene zu immobilisieren und oder zu foltern. Mit Seilen gefesselte Gefangene in der Öffentlichkeit zu sehen, war wahrscheinlich eine häufige Szene im alten Japan während des Shogunats.
Über Mythen und Märchen diffundierte die Idee einer erotischen Konnotation im Zusammenhang mit Seil um einen (weiblichen) Körper ins kollektive japanische Unterbewusstsein, so wie Handschellen und Ketten für uns Westler ein Symbol für Gefangenschaft und Bestrafung sind. Selbst der berühmte Schwertmeister und Ronin Miyamoto Musashi musste in jungen Jahren der Legende nach das „Hängen am Seil“ in einem Baum erleiden.
Im 19. Jahrhundert wurde die Kunstform des Kabuki-Theaters populär und zusammen damit verbreiteten sich durch Drucke / Holzschnitte (Ukiyo-e) subtile (oder weniger subtile) erotische Darstellungen von Kabuki-Szenen, die auf mythischen Bondage-Szenen zurück griffen. Berühmte Beispiele sind die rührende Geschichte der Prinzessin Chujo, die gefesselt im Schnee zurück gelassen wurde, oder die berühmten “28 Morde mit Vers” von Yoshitoshi, von denen immerhin drei Bondage-Szenen darstellen.
Moderne Entwicklung
Die Kunst der erotischen Bondage wurde dadurch öffentlich, dass der Künstler und selbsternannte Perverser Seiu Ito begann, das neue Medium der Fotografie zu verwenden, um sein Modell, Muse und Frau Kiseko gefesselt im Bild festzuhalten. Ab den späten 1920er Jahren versammelte sich dann ein Kreis von Künstlern, Bohemiens und Seilliebhabern um Seiu Ito, um Seme 責め (Folter, Tortur) und die Kunst der erotischen Bondage zu erforschen. Dies ist der Ursprung des modernen japanischen Kinbaku.
Nach dem 2. Weltkrieg geriet Japan unter amerikanische Besatzung. Es gab eine Menge an amerikanischer Pulp-Literatur und Pornomagazinen, welche die japanische Szene beeinflussten. Relativ geringe staatliche Zensur erlaubte die Veröffentlichung von Magazinen mit Fetisch- und BDSM-Inhalten, und ein “Goldenes Zeitalter” der Kinbaku-Verleger begann, mit ikonischen Magazinen wie dem Kitan-Club als Speerspitze der Bewegung. Anfangs waren die Inhalte sehr unterschiedlich, aber die Fans liebten die Themen um Kinbaku am meisten und folglich spezialisierten sich die Magazine. Es gab Geschichten, Fotografien, Zeichnungen und Fessel-Tutorials von den damaligen zeitgenössischen Kinbaku-Meistern, wie Minomura Kou.
Die alten Hojo-Jutsu Muster und Techniken, die man in alten Zeiten benutzte, Menschen zu fangen und sie für die Öffentlichkeitsarbeit richtig zu fesseln, wurden neu bewertet und verändert, um sie sicherer für Fotografie und “Heimgebrauch” zu machen. Später wurde Bondage für Bühnenshows und in Filmproduktion eingesetzt, was die Entwicklung weiterer sicherer aber effektiver Techniken beförderte. Seit dem hat sich die Entwicklung verzweigt, und jetzt existieren viele Stile und Interpretationen von Intention, Technik und Ästhetik im Kinbaku / Shibari / Bondage nebeneinander.
Stammbaum
Unser Kinbaku ist von Akira Naka beeinflusst, der selbst ein Schüler von Nureki Chimuo war. Beide arbeiteten für und mit dem berühmten Kinbaku-Fotomagier Sugiura Norio, der ihre ästhetische Entwicklung beeinflusste. Die von Akira Naka verwendeten Muster sind minimalistisch, reduziert auf die maximale physische und emotionale Wirkung für den gefesselten Menschen. In Europa wird dieser Semenawa Stil von Riccardo Wildties, dem Deshi von Akira Naka und unserem Lehrer vertreten.
Philosophie
Kinbaku ist für uns eine transformative Praxis, sowohl für Rigger als auch für Bottoms. Es geht darum, innere Prozesse zu initiieren, sich selbst zu entwickeln, eine positive Veränderung herbeizuführen. Das Seil wird zu einer Art Stein der Weisen. Im Seil, mit dem Seil, kann man sich nicht verstecken – jedenfalls nicht, wenn man sich Semenawa mit Ehrlichkeit nähert. Es wird Euch und Eure Beziehung wahrscheinlich für immer verändern.