Das Wunder im Blick behalten…

(c) Picture: Swen Brandy (Carnivore) 

 

In unseren Kursen begegnen wir ganz unterschiedlichen Rope-Enthusiast:innen. Wir beginnen immer mit einer Vorstellungsrunde und laden die Gäste ein, etwas über sich zu erzählen.

Manchmal sind es Paare, die privat gemeinsam etwas Neues erkunden möchten. Sie sprechen über Gefühle: Verlangen und Intimität, das Loslassen von Kontrolle, Vertrauen und Geborgenheit, Scham und Neugier… Sie erzählen, was sie fühlen möchten. Es ist persönlich und gut nachvollziehbar.

Manchmal sind es Paare „aus der Szene“, die schon lange dabei sind, unzählige Workshops besucht haben und anfangen, in Ryus, Levels, Formen und Namen der Lehrenden zu sprechen. Es wirkt ganz anders.

Das gleiche Gefühl habe ich, wenn wir für ein „unerfahrenes“ Publikum auftreten. Bemerkenswert sind dann oft die Gespräche. Dieses Publikum sieht nicht die Kata-ashi-Transition, sondern mein Vertrauen und meine Verletzlichkeit. Es werden unerwartete Fragen gestellt und völlig neue Perspektiven geteilt. Diese Begegnungen schätze ich sehr.

Und ich frage mich: Wann verlieren wir – die Menschen in der Szene – diesen unschuldigen, ungebildeten Blick auf die Dinge…?

Es ist ein bekanntes Phänomen, keineswegs spezifisch für die Rope-Szene. Wissen eröffnet neue Wege – und gleichzeitig bringt es Voreingenommenheit und Begrenzungen mit sich. Wir lernen, Komplexität und Nuancen zu schätzen – und verlieren doch das Staunen der Anfänger:innen. Naivität und Aufregung.

„Im Geist des Anfängers gibt es viele Möglichkeiten, im Geist des Experten nur wenige.“ – Shunryu Suzuki (frei von mir übersetzt 🙂 

Es ist wertvoll, sich dessen bewusst zu sein. Wir können versuchen, den emotionalen Sinn hinter den Formen wieder in den Mittelpunkt zu stellen, die wir in Level Eins, Zwei, Drei… lernen.

Weniger urteilen – über uns selbst und über andere.

Demütig bleiben im „Wissen“. Mit zu viel Gewissheit verschwindet die Entdeckung.

Einen Raum finden, in dem ganz ohne Druck gespielt werden kann.

Nicht nur auf das Ergebnis schauen, sondern auf Textur, Empfindungen und Gefühle.

Verwurzelt bleiben in dem, was zwischen dir und deinem Partner geschieht.

Zurückfinden zu unserer ursprünglichen Motivation: Warum habe ich überhaupt damit begonnen? Was hat mich zu dieser Praxis bewegt – bevor ich wusste, „wie es richtig geht“?

Und wenn du Anfänger:in bist und dich manchmal verwirrt fühlst – genieße es. Dieses Gefühl erlebst du nur ein einziges Mal.