Drei Arten einen Gote zu fesseln

Der Gote ist die Basis. Es gibt nichts Komplizierteres als einen Gote. (Naka Akira, Turin 2019).

Die Gote ist das grundlegendste Muster der japanischen Seil-Bondage, das häufigste und das am meisten missverstandene. Ich verwende die Bezeichnung „Gote“ für die Position „Arme auf dem Rücken gefesselt mit Wicklungen um die Brust“. Es ist eine typische „Gefangenen“-Fesselung.

Es wurde schon viel über den Gote geschrieben – über den richtigen Namen (gote oder takate nkote?), das richtige Muster, die richtige Spannung und so weiter. All das überlasse ich Leuten, die mehr Erfahrung haben als ich. Ich mache mir hier Gedanken über den Prozess des fesseln eines Gote. Wie initiieren wir die Session? Was ist die Geisteshaltung beider Partner? In welche körperliche – und damit mentale – Position versetzen sie sich, noch bevor sie das Seil berühren?

Nach meiner Beobachtung gibt es drei Möglichkeiten, einen Gote zu fesseln:

  • Die Hojo-Jiu-Jitsu Art
  • Den kooperativen Weg 
  • Die polare Art

Der Hojo-Jiu-Jitsu Weg

Einige Leute sehen Kinbaku als abgeleitet von Hojo-Jutsu, einer alten Kampfkunst. Da es sich bei dem Gote um eine Gefangenenfesselung handelt, macht es also durchaus Sinn, der Person im Seil überfallartig die Arme auf den Rücken zu ringen. Das kann sogar Spaß machen – so als würde man die Szene mit einem Playfight beginnen. Das etabliert auch, wer die Macht hat und setzt den richtigen Rahmen für ein Dominanzspiel, nicht wahr?

Ich habe diese Armbewegung in meiner Vergangenheit oft gemacht. Im Alter von 14 Jahren habe ich angefangen, japanische Kampfkünste zu studieren, als ich eine Art „Türsteher“-Job in der örtlichen Dorf-Diskothek annahm. Wir lernten, wie man die Arme einer sich wehrenden Person auf den Rücken bringt – die gleiche Technik, die die Polizei anwendet.

Meiner Meinung nach ist diese Technik nicht „schonend“ für die Schultern und Gelenke der zu Boden gebrachten Person. Eigentlich ist sie dazu gedacht, genau diese Körperteile zu belasten, um eine sich wehrende Person zu kontrollieren. (Denkt an einen betrunkenen großen Kerl, der versucht, einen Kampf zu beginnen). Nach meiner Einschätzung ist dies genau dasselbe wie bei den ursprünglichen Hojo-Techniken. Da sie bei Gefangenen, Verdächtigen oder verurteilten Verbrechern angewandt wurden, zielten sie auf all diese Punkte die wir heutzutage zu vermeiden versuchen, wenn wir Liebende und nicht Verbrecher fesseln: Nerven, Gelenke, Einschränkung der Blut- und Luftzufuhr, usw.

Selbst wenn es eine Stufe weicher angeht, mit „Ki“ und nicht mit der physischen Kraft arbeitet (wie im mehr philosophisch orientierten Aikido statt im Jiu-Jitsu), braucht es große Fähigkeiten, um diese Technik auf eine sichere, konservative Weise anzuwenden. Ich persönlich kenne vielleicht 2,5 Leute in der Seilszene, denen ich zutrauen würde, mit dieser Technik einen korrekten – konservativen und sicheren – Armlock in Gote-Position an einer unerfahrenen Person auszuführen, die sie fesseln wollen…

Im Aikido lernen wir, unter Stress loszulassen, uns in unbequeme Positionen zu entspannen – ein Prozess, der kontra-intuitiv ist und Zeit braucht. Unsere natürliche Reaktion, wenn uns jemand angreift, ist das Anspannen der Muskeln, das Hochziehen der Schultern, das Senken des Kopfes: Wir bauen einen Panzer auf. Ist das der richtige Ansatzpunkt für das fesseln eines guten Gote? Ich weiß es nicht… Ich denke, es hängt davon ab, was man damit machen will. Ich denke, wenn man „Playfight“, „Rough Body Play“ und andere Rollenspiele voller Adrenalin machen will – dann ist das genau die richtige Energie. Aber es ist wahrscheinlich nicht die gute Basis, um eine stabilen, sichere Gote als Basis für eine lange Suspension zu fesseln.

Der kooperative Weg

Die gängigste Art, Seilbondage in Europa auszuführen, ist heutzutage, sie zu einer gegenseitigen Übung zu machen. Die Fesselung selbst, die Positionen, die Aktionen (und die Nicht-Aktionen) werden alle ausgehandelt. In dieser Gegenseitigkeit übernimmt die gefesselte Person viel Verantwortung für ihr eigenes Wohlbefinden. Im „Wheel of Consent“-Modell von Betty Martin sollte dies eigentlich eine Geben-Empfangen-Dynamik sein. Die gefesselte Person äußert einen Wunsch, wie sie gefesselt werden möchte und die fesselnde Person erfüllt diesen Wunsch, natürlich innerhalb ihrer eigenen Grenzen. Aber in der Realität sind sich viele Menschen darüber nicht so klar, so dass man sehr oft beobachten kann, dass die gefesselte Person ihren Wunsch nach Hingabe äußert und dann doch sehr viel Kontrolle behält. 

Beim Fesseln des Gote drückt sich die Kontrolle oft in einer aktiven Bewegung in die Gote-Position aus. Mancherorts kann man Modelle beobachten, die ihre Arme aktiv auf dem Rücken verschränken, auch wenn der Rigger eigentlich gerade dabei ist, die Arbeit auszuführen. Auch wenn das nicht immer so offensichtlich ist – oft „helfen“ die Models zumindest ein bisschen mit.

Für die Gelenke und Muskeln sowie das somatische System im Allgemeinen ist das natürlich viel schonender als ein „Angriff“. Es gibt viel weniger „Schock“ und damit viel weniger Tendenz, einen Panzer aufzubauen. Es gibt aber immer noch viel Muskelspannung – genauso wie es eine aktive Bewegung gibt, die von der gefesselten Person ausgeführt wird. Aus unserer Sicht ist diese aktive Muskelarbeit ein Ausdruck der Kontrolle, die die gefesselte Person hat (oder behält). Diese Kontrolle ist gut, wenn man sich in einer „aktiven Bottoming“-Stimmung befindet. Aber es wird in dieser Stimmung und damit somatischen Haltung schwieriger sein, sich in die Seile zu ergeben.

Der Weg der Polarität

Woran wir glauben und was wir in unserem Kinbaku leben, ist, dass beide Partner eine aktive Rolle in der Szene haben – aber auf den entgegengesetzten Seiten eines polaren Spektrums. Die gefesselte Person will gefesselt werden – sie will sich den Seilen, dem Rigger, der Szene hingeben. Der Rigger will fesseln (natürlich!), aber vor allem will er die Kontrolle übernehmen. Im „Wheel of Consent“-Modell ist das eine Dynamik des Nehmens und Überlassens. Es geht um eine Absicht und eine Geisteshaltung.

In dieser Denkweise ist der Rigger nicht in einer Kampfkunst-Mentalität. Es fühlt sich für mich nicht passend an, meine Partnerin „zu überwältigen“, bevor ich sie fessle. Sie will sich hingeben, sie will gefesselt werden – es ist ihr eigener Wille. Eigentlich ist das ihr Teil, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen: zu entscheiden, wann und von wem sie gefesselt wird und innerhalb welcher Grenzen… Wenn sie sich entscheidet, mir dieses „Geschenk“ zu machen, muss ich meine Kontrolle nicht gewaltsam herstellen. Ich habe sie bereits, wenn ich das Geschenk annehme.

In einem Workshop, den ich kürzlich gab, fragte jemand, wie ich mit „bratty“ Modellen umgehe. Die Antwort lautet: Ich mache kein Kinbaku! Ich spiele vielleicht gerne mit ihr. Vielleicht kämpfen wir. Vielleicht warte ich einfach ab… Aber eigentlich kann ich in meinem Rahmen, in meiner gewohnten Denkweise nicht fesseln – zumindest nicht konservativ, nicht sicher. Wenn also jemand von mir erwartet, dass ich meine Dominanz demonstriere, kann ich das wahrscheinlich tun, aber dann werde ich höchstwahrscheinlich nichts von dem tun, was ich normalerweise fessle…

Wenn es also um den Gote geht, macht das Model, der oder die Bottom das Angebot. Sie knien sich in Seiza nieder. Sie warten auf mich, bis ich bereit bin zu fesseln. Und dann fangen sie an, ihren Körper meinem Willen zu überlassen – ohne aktive Arbeit.

Wie alles andere auch, ist es ein Prozess. Es ist irgendwie sogar „aktive“ Arbeit – aber aktive innere Arbeit, nicht aktive Muskelanspannung und Armbewegung. 

Ich muss die Arme positionieren, während mein Modell beginnt, sich zu entspannen, zu vertrauen, zu fühlen. Je mehr ich ihr Vertrauen spüre, desto mehr kann ich mich trauen, zu nehmen. Und das alles beginnt mit dem Gote – oder sogar schon vorher.

In der „Polarität“ muss ich, der Rigger, die ganze äußere Arbeit machen. So habe ich die Kontrolle. Wenn wir die Basis – den Gote – mit dem ersten Seil geschaffen haben, können wir darauf aufbauen, Seil für Seil. Wir wissen beide nicht, wohin es führen wird – das ist der Zauber… 

Alle drei Arten, einen Gote zu fesseln, haben ihre eigene Schönheit. Keine ist besser als die andere – in absoluten Begriffen. Es geht nur darum, einen Ausdruck für Eure Intention zu finden – für das, was Ihr im Moment tun wollt.